Xreid 2018 – nochmal Ultratrail

Xreid 2018 – der Tag danach….

Ich war ja vorgewarnt. 2015 habe ich beim Xreid in der Hardangervidda-Hocheben 28,5 Stunden benötigt. Der Sieger irgendwas mit 16 Stunden. 2018, im Jotunheimen-Gebirge, hiess es in der internen Facebook-Gruppe, das Gelände wäre sehr „technisch“, der Sieger wohl kaum schneller als 24 Stunden (irgendjemand gab eine Prognose von 18:34 Stunden aus). Und das bei deutlich kürzerer (105km) Strecke, aber mehr Höhenmetern (ca. 6000).

Mit 5 Bussen (für die 250 Teilnehmer) ging es ab 7.30 Uhr gemeinsam auf die „andere Seite“. Das heisst – einmal aussenrum, vorbei an der Stabkirche von Lom, einmal über den Pass bis Turtago (ca 1100m üNN) .

Der Start erfolgte pünktlich um 12. Die ersten Läufer haben dabei nach ein paar hundert Metern wohl ein wenig die Orientierung verloren. Zumindest war der Abstecher durch die Büsche nicht die eigentliche Route bevor es für 3 bis 4 Kilometer auf einer Schotterpiste weiterging. Aber egal hier checkt ja noch niemand sein Navi. Herdentrieb. Alle hinterher.

Dann kam der Anstieg. Die ersten Läufer konnte ich hier nur noch als farbige Punkte irengdwo im Berg erkennen. Ich war relativ weit hinten und das war auch gut so. Der Weg war noch weit und es galt nicht zuviel Kraft zu verlieren. Das dies nicht einfach sein würde zeigte sich bereits nach guten zwei Stunden. OBEN. Fast eine Stunde langsamer als der Führende. Der Abstieg glich dem Aufstieg. Steinwüste. Nichts um irgendwie „Zeit gut zu machen“. Nach dreieinhalb Studen endlich mal ein wenig Weganteile die belaufbar waren.


DOCH DANN. Bevor es weiter runter ins Tal ging mussten wir an Hang nochmal 400 Höhenmeter hoch. Buckelpiste pur. Ich war hier bereits länger unterwegs als diesjahr jemals im Training. Und die Beine sträubten sich nun für jeden Schritt hoch und noch mehr bei den kleineren Abschnitten bei denen es runter ging. Andere Läufer überholten mich nun und ich konnte nicht mehr folgen. Der steilste Abschnitt runter zum Checkpoint 1 war dreifache Tortour zugleich. Die Oberschenkel rebellierten bei jedem Schritt runter. Dies kleine Stück musste auf den Hin- und Rückweg zum CP1 gemeistert werden. Nicht nur dass mir bewusst war, hier gleich wieder 700 Höhenmeter hoch zu müssen, sondern mir kamen auch Läufer entgegen, die natürlich wesentlich schneller unterwegs waren und zudem nach einer Pause „frisch“ und motiviert den Berg heraufkamen.


Kurz vor acht war ich endlich beim Checkpoint angekommen. PUH. Erstmal Pause. Fast acht Stunden für grad mal knapp über 30 Kilometer(wenn auch mit vielen Höhenmetern).
Cola, Tomatensuppe, Gebäck, neue Socken, neues Shirt, sogar neue Schuhe (hab mir den Luxus erlaubt andere Schuhe in die Dropbags einzupacken).

Und wieder hoch. Zwar anstrengend kraftraubend aber „angenehmer“ als bergab. Nach ungefähr einer Stunde die Baumgrenze erreicht. Im Fjell wurde es flacher und man konnte wieder in sowas wie ein normalen Rythmus wechseln. Aber die Strecke blieb „technisch“ anspruchsvoll. Einzelne Abschnitte waren „gut belaufbar“. Also man hätte mal für 20m laufen können. Hier hätte ich auch sicher ein wenig Zeit aufholen können. Eigentlich liegen mir steinige Wege. Ich finde meist einen guten Weg von Stein zu Stein um eine flüssig Schrittfolge hinzubekommen. Aber die Kraft war verbraucht. Müde und unkonzentriert über Steinfelder kann gefährlich sein. Mehrmals geriet ich ins Straucheln und konnte gerade noch von Stein zu Stein springend die Balance halten. Hätte auch schief gehen können.
Immerhin. Die Läufer in meiner Nähe waren jetzt auch nicht mehr schneller. Wir konnten uns gemeinsam bei der Orientierung helfen. Die einen mit dem Navi, ich mit meinem Blick für die nächsten Streckenmarkierungen (Wandermarkierungen – Steinhaufen, bzw. Markierungen mit rotem „T“).
Gut: Keine Wolken. Die Mitternachstsonne war zwar hinter den Bergen verschwunden und später kam noch (fast) Vollmond hinzu. Es blieb also hell genug.
Schön: diese Strecke gehört wohl nicht zu den beliebten Wanderstrecken. Es gab kaum ausgetretene Pfade. Das macht die Orientierung zwar ein wenig schwieriger, aber die Strecke blieb „ursprünglicher“.
Aber: es dauerte. Ich kam kaum vorwärts. Ausser kleinere Pausen fürs Wasser holen (an allen Gebirgsbächen problemlos möglich – allerdings hat es auch in Norwegen die letzten Wochen kaum geregt, so dass trotz viel Schnee im Winter, häufig nur wenig Wasser floss), bin ich kontinuierlich durchgegangen.
Der Checkpoint 2 war am Ende eines Sees schon sichtbar aber es dauert noch über 2 Stunden bis ich ihn erreicht habe. Um 4 Uhr nachts. 16 Stunden für ungefähr die Hälfte der Strecke.

Das Rechnen fing natürlich schon viel früher an. Man hat ja unterwegs Zeit. Der nächste Abschnitt hatte knapp unter 40 Kilometer. Zwar vergleichsweise wenig Höhenmeter. Aber sicher nicht weniger technisch anspruchsvoll. Dies unter 10 Stunden zu schaffen schien unrealistisch. Flache Abschnitte OK. Aber Auf- und Abstiege würden Zeit kosten. Dann ein paar Pausen. Zwölf bis 14 Stunden schienen mir realistischer. Und bald würde die Sonne wieder hinter dem Berg hervorkommen. Den ganzen Tag bis Abends um 6 oder 8 in der Sonne – kein Schatten.
Es war eine Vernunftentscheidung. Hätte, hätte…. dann wäre diese anders ausgefallen. Aber insbesondere das gesundheitliche Risiko war mir zu hoch. Das bin ich aktuell aus mehreren Gründen nicht bereit zu tragen. Da „opfere“ ich lieber ein DNF (did not finish).Ich wäre gerne noch weiter über die Hochebene gelaufen. Aber nun mal nicht unter diesen Umständen.
Nach Rückfrage mit der technischen und der medizinischen Leitung am Ckeckpoint 2 habe ich mich zur „Aufgabe“erklärt.

Ein Blick in die Ergebnisliste bestätigt meine Kalkulation. Läufer, die nach 15 bis 16 Stunden am Checkpoint 2 eingetroffen sind, haben mindests 10 weiter Stunden bis Checkpoint 3 benötig (meistens 12 Stunden und mehr). Bis ins Ziel mindestens doppelt so lang wie bis zum Checkpoint 2 (und die DNF-Läufer sind hier auch nicht berücksichtigt). Realistische Zielzeit wären nach der Zeit bis zum CP 2 insgesamt wohl 32 bis 36 Stunde gewesen. Da war ich niemals drauf vorbereitet. Der Sieger, ein „Einheimischer“ der tagtäglich in diesen Gelände trainieren kann, brauchte 18:17 Stunden. Knapp 30 schafften es unter 24h.

Und trotzdem nagt natürlich der Zweifel. Es nicht versucht zu haben, es nicht geschafft zu haben, nicht “ dazugehören“. Bei der Siegerehrung gab es nur ein Gruppenfoto mit den Finishern. Nur teilnehmen (mehr als ein Drittel) ist anscheinend nicht gut genug für den Xreid (oder für den Sponsor?!).

Fazit: Ausrüstung OK. Keine Blasen. Nix wund gelaufen. Genug gegessen. Evtl. zu wenig getrunken. Meine Haglund-Ferse schmerzte, wie zu erwarten war (kaltes Wasser oder Schnee von den vielen Schneefeldern konnten sie aber gut ruhig stellen). Aber insbesondere die Oberschenkel waren auf die Belastung nicht vorbereitet. Und der Schlaf die beiden Tage vorher war wohl auch nicht ausreichend. Zwei entscheidende Faktoren.

Es bleiben die Fragen: Xreid 2018. Hab ich hier noch was nachzuholen? Was wieder gut zu machen? Wann? Und wer kommt mit?

Oliver Hauptstock

Oliver war Sport quasi in die Wiege gelegt. Der Vater ein schneller Mittelstreckenläufer, Trainer der Basketballer und der Kinder-Leichtathletik im Ort, die Mutter in der Jugend schnell über 800m. Turnhallen, Sportplätze und die Laufrunde im Wald bestimmten große Anteile der Freizeit. Von 400m bis Ultra war alles dabei. Und nicht nur auf der Bahn oder der Straße. Offroad ist er ein seinem Element: Orientierungslauf, Trail, OCR, Cross- oder Gravelbike, Packraft, Biwaktouren. Neues ausprobieren, nicht immer auf Pace und Puls achten, achtsam und entspannt unterwegs sein sind seine Ziele. Bei HiRunner ist Oliver für die Trainingspläne, Übungsauswahl und Übungsvideos zuständig und tüftelt an neuen Bewegunskonzepten, um das Training noch effizienter zu machen.

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