Morgens, 8:45, beim Orthopäden

Die letzten Tage verliefen weitestgehend unspektakulär. Mit regelmäßigem Verband und Schmerzmitteln konnte ich den Alltag und die letzten Home Office Tage einigermaßen gut überstehen. Aber ich saß eben viel und bewegte mich wenig. Hatte sich irgendetwas gebessert? Ich hätte es nicht wirklich sagen können, aber ans Rennen war weiterhin definitiv nicht zu denken.

Gestern abend waren wir einkaufen. Der letzte Tag vorm neuen Lockdown in Deutschland, erstaunlich ruhig und leer. Einen Weihnachtsbaum wollten wir im Anschluss auch noch holen, denn wer weiß, ob die während dem Lockdown überhaupt weiterverkaufen dürfen?!

Zum Weihnachtsbaum kam es dann leider nicht mehr. Das abendliche Laufen durch die Supermarktgassen war unglaublich schmerzhaft und ich musste mich mit Schweißausbrüchen am Einkaufswagen festhalten. Sarah fragte, ob sie mir irgendwie helfen könne. Ich sagte, wirf alles in den Wagen, was dir in den Sinn kommt, ich weiß nicht, ob ich vor Heiligabend nochmal laufen kann. Wirklich mitdenken konnte ich beim Einkauf auch nicht. Ich wollte nur sitzen, oder liegen, oder schreien.

Heute morgen um 8 Uhr saß ich mit dem Handy auf der Bettkante und drückte auf die Nummer auf der Website des Orthopäden. Ich mag weder früh aufstehen, noch irgendwo anrufen, noch zum Arzt gehen. Daran zeigt sich der Grad meiner Verzweiflung. Um 8:45 bekam ich einen Termin.

In der Praxis fragte die Arzthelferin nach meinen Beschwerden und übertrug meine Erzählung kommentarlos in den Computer. Auf Schmerzmittel und Verband hatte ich verzichtet um die Ursachenforschung nicht zu stören, der Weg vom Auto zur Praxis und die Treppen hoch war eine einzige Qual. Der Herr Doktor würde dann gleich kommen.

Der Doktor tastete mein Knie ab, rotierte den Unterschenkel, alles ohne große Schwierigkeiten. Ich musste ihm die Stelle zeigen, an der ich die Schmerzen empfand. Das sei eine Sehne, sagte er. Damit war der Fall dann wohl für ihn klar. Die Arzthelferin sollte einen Verband anlegen, den ich für 48 Stunden tragen sollte.

Der Arzt bemühte sich noch um etwas Smalltalk und fragte, was ich denn für Schuhe trage. Dass ich meine einzigen, 15 Jahre alten – aber selten getragenen! – Laufschuhe benutzte, schien seine Diagnose nur weiter zu bestätigen. Laufschuhe würden nach einem Jahr die Hälfte ihrer Dämpfung verlieren, sagte er. Läufer würden nicht umsonst Lauftagebuch führen. Ich erwartete als nächstes den Rat, kleinere Schritte zu machen, aber der kam nicht. Er hätte eher vermutet, ich würde Basketball spielen. Ich solle erstmal anderen Sport machen.

Matthias Gall

Matthias hat die klassische Sportlerkarriere eines Nerds hinter sich: er wurde beim Schulsport stets als letzter gewählt, hat beim WM-Tippspiel in den Knock-Out-Runden siegessicher auf Unentschieden getippt und kannte nur deshalb mal alle Spieler des BVB auswendig, weil er beim Mitentwickeln am EA Fussballmanager 2003 immer mit dieser Mannschaft getestet hat. Bei HiRunner kümmert sich Matthias um die Softwareentwicklung und den Betrieb, aber er versucht sich dennoch im Laufen, um sich danach noch besser und noch frischer wieder an die Arbeit begeben zu können.

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